Stress abbauen mit den fünf Säulen des Hatha Yoga

Daniela Werner • 1. November 2024

Stress abbauen mit den fünf Säulen des Hatha Yoga

Hatha Yoga ist ein ganzheitlicher Weg zur Erhaltung der Gesundheit.


Beim Hatha Yoga geht es nicht nur darum, Übungen (Asanas) mit dem Körper auszuführen, sondern vielmehr darum, die eigene Lebensanschauung zu hinterfragen. Es geht um den Umgang mit Problemen und Stress, um die Ernährung und um Faktoren des täglichen Lebens, die Einfluss auf unseren Körper und die Gesundheit nehmen können. Des Weiteren geht es um Achtsamkeit und die Schulung der Selbstwahrnehmung.


Hatha Yoga zielt auf eine achtsame und bewusste Lebensführung ab, die sich im Einklang mit unserer Natur befindet und dadurch Körper Geist und Seele in Harmonie bringt.


„Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen.“

Unbekannt

Die fünf Säulen des Hatha Yoga

1. Asana (Körperübungen)

Asana dehnen und kräftigen sanft den Körper und machen ihn beweglicher. Sie stärken das Nervensystem, fördern die Durchblutung und lösen die durch Stress entstandenen Anspannungen im Körper auf. Asana harmonisieren auch die inneren Organe und beleben die endokrinen Drüsen. Die während einer Stresssituation heruntergefahrenen Funktionen im Körper, wie z.B. der Stoffwechsel, werden wiederaufgenommen. Asana schenken ein seelisches Gleichgewicht und unterstützen bei der Beherrschung von Emotionen was sich positiv auf das künftige Stresserleben auswirkt.


Die sanfte Bewegung des Körpers und das achtsame Nachspüren der Asana hilft dabei, in Kontakt mit dem Körper zu kommen und ihn auf angenehme Weise zu (er)spüren und wieder wahrzunehmen.

Dies hilft gerade bei Stress, vom Kopf wieder mehr in den Körper zu kommen und somit aus dem Gedankenkarussell kurzzeitig auszusteigen.

2. Pranayama (Atemübungen)

Pranayama (Prana = Lebensenergie, Ayama = kontrollieren, erweitern) bezeichnet die bewusste Regulierung und Vertiefung der Atmung und bildet die zweite Säule der Yoga-Praxis für die Gesundheit.


Beim tiefen Einatmen wird dem Körper Sauerstoff, der für jede Körperzelle wichtig ist, zugeführt. Beim Ausatmen werden im Gegenzug Abfallstoffe und Säuren ausgeschieden. Die enge Verbindung des Atems zum Nervensystem übt einen direkten, positiven Einfluss auf stressbedingte Probleme aber auch auf Schmerzen aller Art aus. Atemübungen reinigen die Lungen und harmonisieren das Nervensystem und den Energiefluss in den Nadis und Chakren im Körper.


Durch Pranayama lässt sich Stress reduzieren und ein Gefühl von Ruhe, Frieden und Ausgeglichenheit erreichen. Die Atmung ist der Spiegel unserer körperlichen und geistigen Verfassung. Wenn das Gehirn Stresssignale sendet, schaltet der Körper in den Kampf-oder-Flucht-Modus und beschleunigt die Atmung. Der Atem wird dadurch schnell, flach, stockend und auch das Ausatmen kann schwerfallen.


Durch den bewussten Atem kann man aber auch in umgekehrter Folge Einfluss auf das Gehirn nehmen und Stresssignale reduzieren, indem man die Aufmerksamkeit auf den Atem lenkt und bewusst, langsam und tief in den Bauch atmet. Wobei die Betonung auf der Ausatmung liegt. Über die Kontrolle der Atmung wird auch der Geist unter Kontrolle gebracht. Durch eine bewusste, tiefe und langsame Atmung kommen auch der sprunghafte und unruhige Geist und seine Gedanken zur Ruhe.


Ziel von Pranayama ist es, eine volle, freie und entspannte Tiefenatmung entstehen und zur Gewohnheit werden zu lassen.


Zur Stressbewältigung eignen sich die folgenden Pranayama:


  • Bauchatmung: Hilft bei Unruhe, Nervosität und Unausgeglichenheit.
  • Vollständige Yogaatmung: Unterstützt bei körperlicher, anstrengender Bewegung oder wenn mehr Sauerstoff benötigt wird (z.B. in stressigen Situationen).
  • Wechselatmung (Nadi Shodana): Bringt die Atmung unter Kontrolle und wirkt harmonisierend auf alle Körpersysteme. Sie reinigt und aktiviert die Nadis, damit das Prana wieder besser fließen kann. Die Wechselatmung hilft dabei, zu innerer Ruhe und Kraft zu finden und wandelt emotionelles Ungleichgewicht in ein Gefühl von Stärke und Kraft um.
  • Sitali: Eignet sich ideal, um einen klaren Kopf zu bekommen. Sitali hilft dabei, unruhige Energien zu harmonisieren und schenkt Entspannung, Ruhe und Gleichmut.
  • Bienensummen (Bhramari): Brahmari sorgt durch die Vibration in den Resonanzräumen von Nacken, Brust und Kopf für eine bessere Durchblutung und eine tiefe Entspannung von Körper und Geist.
  • Meeresrauschen (Ujjayi): Entspannt den Körper und reinigt den Geist. Das Lauschen des eigenen Atems unterstützt den Rückzug der Sinne (Pratyahara) und die Konzentration (Dharana).

3. Shavasana (Tiefenentspannung)

Entspannung spielt bei der Wiederherstellung und Erhaltung der Gesundheit eine zentrale Rolle. Die meisten Krankheiten werden durch Stress begünstigt und können durch bewusstes Entspannen in ihrem Heilungsprozess unterstützt werden. Entspannungsübungen eignen sich hervorragend, um dem Körper eine regelmäßige Pause bzw. Auszeit zu gönnen. Sie senden ein Entwarnungssignal an den Körper und schaffen ein harmonisches Gleichgewicht zwischen der Anspannungsphase (Kampf-oder-Flucht-Modus) und Regenerationsphase.


Während der Entspannungsübungen geschieht nicht nur ein körperliches Entspannen der Muskeln, sondern auch ein geistiges, psychisches Loslassen wobei Glückshormone ausgeschüttet und Stresshormone reduziert werden.


Desweitern wird währenddessen der Parasympathikus aktiviert und die Energie kann wieder den Funktionen der Verdauung, Ausscheidung, Hormonproduktion und des Immunsystems zugeführt werden und unterstützt damit deren reibungsloses Funktionieren. Zudem beruhigt die Entspannung den Herzschlag, reduziert den Blutdruck und normalisiert die Atemfrequenz.


Geeignete Entspannungstechniken zur Stressreduktion:


  • 61-Punkte-Entspannung (Shavayatra)
  • Yoga-Tiefenentspannung
  • Yoga Nidra
  • Phantasiereisen
  • Autogenes Training
  • Progressive Muskelrelaxation (PMR)
  • Bodyscan

4. Ernährung

Die Ernährung im Yoga folgt dem ganzheitlichen Prinzip: Sie stärkt den Körper, belastet ihn nicht und sorgt für einen klaren Geist. Die Nahrungsmittel sollen gesund, leicht verdaulich sein und gewährleisten, dass mit der Nahrungsaufnahme möglichst viel positive Energie und Kraft aufgenommen wird. Ziel der yogischen Ernährung ist es, den Körper gesund zu halten, Krankheiten vorzubeugen bzw. den Heilungsprozess zu unterstützen.


Yoga betrachtet die Ernährung nicht nur in Bezug der Wirkung auf den Körper und seine Organe, sondern berücksichtigt auch die Veränderung, die die Nahrung im Geist und in der Psyche auslöst, da diese wiederum die physische Gesundheit beeinflusst.


In stressigen Situationen wird die Ernährung jedoch oft vernachlässigt: Man isst schnell etwas zwischen Tür und Angel, oft im Stehen oder man belohnt sich mit Süßigkeiten, Alkohol und Zigaretten. Wenn der Körper unter Stress im Alarmzustand (Kampf-oder-Flucht-Modus) steht, hat die Verdauung im Körper keine Priorität! Darum ist es wichtig, den Körper während Stresssituationen nicht noch zusätzlich mit schwer verdaulichen oder belastenden Nahrungs- und Genussmitteln zu überfordern.


Nahrungsmittel werden nach yogischer Denkweise nach ihren Eigenschaften in drei Arten unterteilt:

  • Tamas

Tamasige Nahrung hat keine Vitalkraft mehr, sie entzieht dem Körper sogar Energie und macht den Verstand träge. Daher sollten diese Nahrungsmittel gemieden werden. Ist der Körper Stress ausgesetzt, sollte besonders darauf geachtet werden, nur Nahrungsmittel zu sich zu nehmen, die dem Energiehaushalt zuträglich sind.


Beispiele für Tamasige Nahrung:



Alkohol, Tabak, Zwiebel, Knoblauch, fermentierte oder vergorene Lebensmittel, faule, unreife und überreife Nahrungsmittel, Gerichte die totgekocht oder nochmals aufgewärmt wurden, Konserven, Tiefkühlkost, Wurstprodukte, Schinken, Weißmehlprodukte, Salz, Schokolade und auch Drogen, Medikamente

  • Rajas

Rajasische Nahrung macht den Körper und Geist unruhig und sollte auf ein Minimum reduziert, bzw. wenn sich der Körper in einer stressigen Situation befindet, ganz gemieden werden.


Beispiele für Rajasische Nahrung:


Scharfe, stark gewürzte Lebensmittel, fermentierte Lebensmittel, Zwiebeln, Knoblauch, saures Obst, frisches Fleisch und Fisch sowie alle Meeresfrüchte, Essig, Sauerkraut, Frischkäse, Joghurt, Buttermilch, Käse, Eier, Bier und Wein, Kaffee und schwarzer Tee

  • Sattva

Sattvige Nahrung schenkt dem Körper hochwertige Nährstoffe und Energie. Sie lässt den Geist klar und friedvoll werden und ist die optimale Ernährung bei Stress. Sattvige Nahrung vermeidet Krankheiten und sorgt dafür, dass der Körper nicht belastet wird und sich gut anfühlt.


Beispiele für Sattvige Nahrung:


Vollwertige Getreideprodukte, Hülsenfrüchte, Nüsse, unbehandeltes Obst und Gemüse, regionale, saisonale Lebensmittel in Bio-Qualität, einfache und mild gewürzte Zubereitung mit Einsatz von Heilkräutern, vorwiegend süße und bittere Geschmacksrichtung, ohne Einsatz von Fleisch, Fisch und Eier

Generell sollte dem Körper täglich ausreichend Flüssigkeit (2 - 3 Liter) in Form von klarem Wasser oder Tee zugeführt werden. Wichtig ist es auch, während der Nahrungsaufnahme nichts zu trinken, sondern erst danach.


Bei der yogischen Betrachtung der Ernährung geht es jedoch nicht nur darum, WAS man isst, sondern WIE man isst: Wieviel man zu sich nimmt, zu welcher Zeit und mit welcher geistigen Einstellung man seine Mahlzeiten einnimmt. Wenn man langsam und achtsam isst und ausreichend kaut, wird die Nahrung vom Körper wesentlich besser und leichter aufgenommen als wenn man sie unter Zeitdruck achtlos zu sich nimmt.


Bei all den Ernährungshinweisen darf jedoch nicht die wichtigste Frage vergessen werden: Was bekommt mir und was nicht? Nicht alle Nahrungsmittel und Ernährungstipps sind für jeden Körper geeignet.

5. Meditation und positives Denken


Yoga Sutra 1.4:
yogash chitta-vritti-nirodhah

"Yoga ist das Zur-Ruhe-Kommen der dauernd
sich verändernden mentalen Muster."


Meditation wirkt nicht nur auf geistiger Ebene, sondern hat auch vielschichtige positive Auswirkungen auf so gut wie alle Körperfunktionen. Die Verbindung von Körper und Geist zeigt sich hier besonders deutlich. Die Wirkung der Meditation auf mentaler Ebene führt sowohl direkt als auch indirekt durch eine erhöhte Achtsamkeit zu einem veränderten Essverhalten, zu Gelassenheit, zu verbesserter körperlicher Gesundheit und unterstützt somit wirksam die körperlichen Heilprozesse.


Während der Meditation geschieht ähnliches wie bei Entspannungsübungen, jedoch auf tieferer Ebene. Während in der Tiefenentspannung die Stilllegung der bewussten Körperfunktionen dazu genutzt wird, die unbewussten Körperfunktionen wiederherzustellen, wird in der Meditation die Stille des bewussten Denkens eingesetzt, um auf einer tieferen Ebene den Geist zu öffnen.


Diese tiefere Ebene des Geistes ist die uns innewohnende Freude und Harmonie, Frieden und Reinheit, welche im Alltagsgeschehen oft so weit in den Hintergrund gedrängt wird, dass ihre Existenz sogar vergessen wird. Durch die Meditation wird eine Heilung auf tiefer Ebene erreicht, welche sich auf physischer Ebene widerspiegelt.


Alle geistigen Grundlagen des Yoga beschäftigen sich mit der Bedeutung und den Gefahren des Egos und des übersteigerten Denkens, das als Auslöser von Stress und Ängsten gilt. Stress beginnt im Kopf! Ein tiefes Integrieren der Yoga-Philosophie und deren Umsetzung im Leben kann Veränderungen der Lebensqualität und sowohl körperliche als auch geistige Gesundheit mit sich bringen.


Bei chronischem Stress verändert sich die graue Substanz im Gehirn und nimmt ab. Forschungen ergaben, dass nach acht Wochen täglicher Meditation über 45 Minuten eine deutliche Zunahme dieser Substanz erfolgte. Auch Amygdala und Cortex vernetzten sich stärker miteinander. Dies führt dazu, dass durch Meditation die Ausgeglichenheit und Stressresistenz gesteigert werden kann.


Auch Selbstreflexion spielt eine zentrale Rolle:

  • Was denke ich über mich?
  • Welche Ansprüche habe ich an mich selbst?
  • Erlaube ich mir, mich selbst an erste Stelle zu stellen?
  • Bin ich es mir wert, auf mich und meinen Körper zu achten?
  • Erlaube ich es mir meine Bedürfnisse klar zu kommunizieren und Grenzen zu setzen?
  • Sind mir meine Bedürfnisse überhaupt bewusst?
  • Kann ich auch mal Nein sagen?
  • Wann wird mir alles zu viel?
  • Was sind meine Stressoren und was kann ich aktiv dagegen tun (Coping)?


Resilienz baut sich hier durch einen dynamischen Anpassungsprozess auf: Achtsam wahrnehmen, Reflexion der Situation, Schlüsse ziehen und Weiterentwicklung durch Veränderung.


Der Körper ist auf einen ausgeglichenen Geist der ihn leitet angewiesen. Mediation hilft, den Geist zur Ruhe zu bringen und zu lernen, ihn gezielt in eine Richtung zu lenken, um damit die Ereignisse im Leben positiv zu nutzen. Sie lässt den Geist klarer und fokussierter werden und steigert die Konzentrationsfähigkeit. Psychische Stresssymptome wie geistige Müdigkeit, Reizbarkeit und Angespanntheit werden dadurch verbessert.


Positives Denken reinigt den Geist und lässt Weisheit und inneren Frieden erfahren. Widrige Umstände im Außen können besser verarbeitet werden und triggern nicht mehr so schnell bzw. prallen an der positiven Grundstimmung ab.


Es gibt viele Meditationsarten die man grundsätzlich in zwei Arten gliedern kann: Die aktive Meditation, das heißt Meditation in Bewegung und die passive Meditation, die Meditation im Sitzen. Die eine „richtige“ Meditation gibt es nicht. Auch hier ist eine individuelle Anpassung an die Gegebenheiten (Wie war mein Tag heute? Was braucht mein Körper und Geist jetzt?) der Schlüssel für eine gelungene Meditation.


Zur Stressreduktion sind unter anderem folgende Meditationsarten geeignet:


Aktive Meditationen:

- Dynamische Meditation von Osho

- Gehmeditation

- Schüttelmeditation

- Meditation im Handeln


Passive Mediationen:

- Stille Meditation

- Geführte Meditation

- Mantra Meditation

- Konzentrationsmeditation

- Atem Meditation

- Bild Meditation

- Licht Meditation

- Meditation auf Gegenstände (z.B. Kerze)

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